„Die Kuh ist vom Eis…“

von Lothar W. Kroh

„Die Kuh ist vom Eis“… oder, um es in der Sprache „unserer Mutter“ zu sagen: „La vache est hors de la glace…“. Ja, und worum geht es hier?

Die deutschen Zisterzienserstätten der „Europäischen Charta der Zisterzienser-Abteien und -stätten“ (Charte Européenne des Abbayes et Sites Cisterciens) hatten in der vergangenen Woche zur jährlich stattfindenden Sitzung eingeladen. Da auch unser Klosterverein in Bad Doberan der Arbeit in der Charta große Bedeutung beimisst, haben sich unsere Vorsitzende, Sabine Krahn-Schulze, gemeinsam mit Paul Nebauer und Lothar W. Kroh auf den Weg gemacht.

Ort des Treffens war die idyllisch gelegene Zisterzienserinnenabtei Heiligkreuztal in Oberschwaben. 1227 gegründet und über Jahrhunderte als spirituelles Zentrum der Region mit gewichtiger Historie genutzt, ist sie seit 1972 Eigentum der Stefanus-Gemeinschaft, die sich um Kommunikation (Glauben – Wissen – Reden) im religiösen Raum bemüht. Angeschlossen an die Klosteranlage ist ein rege genutztes Tagungshotel, in dem auch die Teilnehmer der Sitzung Unterkunft gefunden haben.

Der Anlass der Sitzung in Heiligkreuztal waren zwei essentielle Fragestellungen, die die Zisterzienserklöster in Deutschland schon geraume Zeit beschäftigen:

  • eine Beratung über die weitere Zusammenarbeit der deutschen Sektion mit der Charta und
  • die Notwendigkeit der Ernennung einer neuen Führungsspitze für die deutschen Klosterstätten.

Wegen der besonderen Bedeutung der Entscheidungen für die gesamte Charta war zu dieser Sitzung auch François Launay, Präsident der Europäischen Charta, aus Paris angereist.

Es würde an dieser Stelle zu weit führen, die Argumente der Diskussion um diese beiden Punkte im Detail darzustellen. Wichtig bleibt die Feststellung, dass sich die Charta nach wie vor dem Erhalt und der Pflege des transnationalen Kulturerbes der Zisterzienser widmen wird, wofür man eine intensivere Kooperation der europäischen Klosterstätten anstrebt. Zudem will man die Zusammenarbeit mit regionalen Projekten, wie zum Beispiel „Cisterscapes“, vertiefen und deren Erfahrungen für die Verbreitung des kulturellen Erbes der Zisterzienser nutzen. Alle anwesenden Klosterstätten bekundeten schließlich die Absicht, weiterhin gemeinsam im Rahmen der Europäischen Charta zu arbeiten.

Die erfolgreiche Arbeit von Gremien ist oft auch mit deren Leitung verbunden. Nach langjähriger – und man muss betonen: sehr erfolgreicher – Tätigkeit für die deutsche Sektion bat Pfarrer Markus Hoitz aus der Abtei Heisterbach um Entlastung im Amt. Zunächst schien die Antwort auf diese Frage ziemlich kompliziert. Aber wie das so ist mit wichtigen Dingen: Oft werden sie am Abend bei einem entspannten „Kamingespräch“ und einem Glas Wein besprochen. Im Sinne der Titelzeile dieses Beitrags kann man nun sagen: Die Frage der Nachfolge ist gelöst!

Für die Leitung der deutschen Sektion konnte eine Doppelspitze gewonnen werden: Xandra Wildung vom Kloster Altenberg bei Köln und Julius Wagner vom Kloster Eberbach bei Mainz werden zukünftig die deutschen Klosterstätten der Zisterzienser in der Charta vertreten. Die Mehrsprachigkeit von Julius Wagner, der sich leicht auf Französisch mit „unserer Mutter“ verständigen kann, ist dabei sicher von großem Vorteil.

Um der Kontinuität der zukünftigen Arbeit Ausdruck zu verleihen, wird die nächste Jahressitzung der deutschen Sektion im Frühjahr 2026 in der Klosterstätte in Bad Doberan stattfinden. Wir hoffen auf eine rege Teilnahme und werden als Gastgeber bemüht sein, uns mit all unseren Erfolgen in der Arbeit des Vereins und unseren baulichen Kostbarkeiten zu präsentieren.

Der Abend war dann schon ein bisschen lang – aber limitiert, denn in der Abtei war ab 22.00 Uhr Nachtruhe verordnet. Die Betten waren bequem, und so konnte sich jeder Teilnehmer in den Armen von Morpheus seinen privaten Träumen hingeben.

Am nächsten Morgen hatten wir noch die Gelegenheit, mit Pfarrer Burkhard die wunderbare Abtei Heiligkreuztal zu besichtigen. Faszinierend waren die besondere Akustik des Kreuzgangs und der Abteikirche sowie die vielen kleinen und großen Geschichten rund um Spiritualität und Historie der Abtei.

Bemerkenswert, vor allem für uns Doberaner, waren die intakten Wirtschaftsgebäude des Nonnenklosters. Zum Ensemble gehören neben dem Kornhaus und der Brauerei eine Pfisterei (Bäckerei) mit Wassermühle. Ein kurzer Blick in das Mühlengebäude ließ einige Details erkennen – etwa die mittelalterliche Hebetechnik mit Seilwinde auf den Lagergeschossen, wie sie noch im Dachgeschoss unseres Münsters zu finden ist, aber leider nicht mehr im Wirtschaftsgebäude – oder eine hölzerne Schmucksäule in der Mühlenstube. „Die Nonnen mochten alles halt ein bisschen hübsch“, interpretierte Pfarrer Burkhard. Die baulichen Ähnlichkeiten von Heiligkreuztal zu unserer Klosteranlage in Bad Doberan waren nicht zu übersehen.

Zum guten Schluss noch eine wichtige Information für unser Kloster in Bad Doberan: Auf dem Weg nach Heiligkreuztal steuerten wir nämlich die Glockengießerei Bachert in Neuenkirchen am Neckar an, um den Stand der Herstellung der längst überfälligen Gedenktafel für den Mönchsfriedhof zu erfragen. Der Juniorgeschäftsführer, der uns empfing, versprach uns im Gespräch verbindlich, dass wir im Mai, spätestens aber im Juni mit der Auslieferung der Tafel rechnen können – gut Ding will eben Weile haben…

Vielen Dank, lieber Paul Nebauer – du hast uns die 2.000 Kilometer souverän und sicher von Nord nach Süd und zurück gesteuert.