Juli 2024 – 10.000 Backsteine
Von Lothar W. Kroh
Auch wenn von außen ein Baufortschritt nicht gleich sichtbar ist, mit der Sanierung des Wirtschaftsgebäudes geht es weiter voran. Vielleicht nicht in großen Schritten, denn zu viele Unwägbarkeiten verzögern oft das geplante Vorgehen. Versteckte „Bausünden“, die zumeist erst „hinter den Wänden“ sichtbar werden und auf die verschiedenen Nutzungsperioden des Baus zurückzuführen sind, müssen korrigiert und den heutigen Standards angepasst werden. Ohne die Fachkompetenz und die Erfahrungen von Architekten, Bauarbeitern, Statikern und den Denkmalschützern wäre die Sanierung des mittelalterlichen Gebäudes ein Cervantischer „Kampf gegen Windmühlen“. Bei den Bauberatungen hat man den Eindruck, dass die Arbeiten in guten Händen liegen, je nach Baufortschritt und Witterung, die gerade in letzter Zeit oft eine Rolle gespielt und ein Wechselspiel von „Drinnen“ und „Draußen“ verursachten haben, werden die aktuellen Arbeiten koordiniert. Dabei sind oft ad hoc Entscheidungen notwendig, um das Baugeschehen wirtschaftlich und zeitlich am Laufen zu halten.
Was hat sich nun seit dem letzten Baubericht vom Juni Wichtiges getan, was ist geschafft worden? Rene Kunz, der verantwortliche Architekt schätzt im Gespräch ein, dass ca. 15 % der Bauarbeiten am Wirtschaftsgebäude geschafft sind. Nach einem Jahr reger Bautätigkeit sind bisher ca. 10.000 Ziegel und Formsteine im Klosterformat vermauert worden. Wenn man bedenkt, dass vor dem Mauern schadhafte Steine oder ganze Mauerpartien entfernt und einzelne Steine im wahrsten Sinne des Wortes aus einer bestehenden Mauer extrahiert werden müssen, ist das eine sehr beeindruckende Zahl.
Die Arbeiten an den ebenerdigen Rundbögen im südlichen Teil der großen Halle sind zum großen Teil erledigt und die Gerüste für den Ausbau der ersten und zweiten Etage stehen bereits. Die sind notwendig, um im zweiten Geschoss eine schwierige und zeitaufwendige Arbeit für die Maurer und Betonbauer angehen zu können. Hier müssen die zwei südlichen Arkadenbögen der Westwand teilrückgebaut und neu aufgemauert werden, um das Dach sicher tragen zu können. Der Brand und der über 40jährige Witterungseinfluss hat sie richtig „zerbröseln“ lassen, sodass sogar Fangnetze angebracht werden mussten.
Aber so weit ist es noch nicht, gegenwärtig werden die Sandsteingewände der Ostwand stabilisiert. Dirk Emmerich hatte im letzten Baubericht bereits darüber geschrieben und heute sind die mittleren Stahlträger der Sandsteinlaibungfensters, die im Mauerwerk verbleiben sollen, konserviert und an den Außenseiten die ersten neuen Stahlträger eingezogen. Das klingt so selbstverständlich, aber die Ostwand musste vorher aufwendig abgestützt werden, um die Ausmauerungen mit Kalksandstein entfernen zu können.
Die Trennwand in der Mitte des östlichen Seitenschiffs mit dem erhaltenen Rundbogen ist fast fertig, es fehlt noch die Betonwand zur zukünftigen Toilettenanlage (Bild4). Apropos Beton, Mitte August werden verschiedene, bereits armierte und geschalte Wände (Fahrstuhlschacht, Treppenhaus, unterer Teil der Südwand der großen Halle) betoniert. Das Gebäude bekommt so langsam die Stabilität, die für den weiteren Ausbau notwendig ist.
Doch gehen wir nun in das Inneren, in die Backhalle, dem zukünftigen Ort der Bibliothek für die Stadt Bad Doberan. Hier machen im ersten Geschoß zwei Fachwerkwände Probleme, deren Fußpunkt bis in Haupteingang reicht. Abgesehen vom schlechten Zustand des innen liegenden Türsturzes, der zu erneuern ist, muss die marode Backsteinwand stabilisiert werden (Bild5), um die beiden über ihr liegenden Fachwerkwände tragen zu können. Diese beiden Wände in der ersten und zweiten Etage der Backhalle sind noch nicht einmal in einer Flucht aufgebaut, sondern um einen halben Meter versetzt, wofür es bisher keine rechte Erklärung gibt (Bild6). Außerdem sind die oberen Balken im zweiten Geschoß durch den Brand stark verkohlt und auch der Sockel eines Balkens ist nahezu vollständig verbrannt (Bild7). Bei der letzten Bauberatung haben Statiker nun eine Lösung vorgeschlagen, bei der beide Wände erhalten und so auch weiterhin den Übergang zum Backhaus und den oberen räumlichen Abschluss der Backhalle bilden können.
Gleich nebenan, im östlichen Dachraum der gewölbten Räume sind die Gewölbedecken von oben fertig saniert und man kann die Ostwand mit außen nicht sichtbaren Spannankern stabilisieren. Danach können die Deckenbalken eingezogen werden und ein weiterer Bauabschnitt ist geschafft. Wie habe ich eingangs gesagt: „…es geht voran“.
In der Backhalle selbst kann man sich jetzt die Architektur und die wahren Dimensionen des mittelalterlichen Kamins in der östlichen Wand bewusst machen. Ein mächtiger, über zwei Meter breiter Unterbau, zum Teil aus behauenem Stein, wird von einem konisch zulaufender Kaminmantel bekrönt, was typisch für den Kaminbau im 13 Jahrhundert ist. Es entsteht der Eindruck einer großen Feuerstelle, wie man sie aus vielen Burgen oder Schlössern, allerdings oft weitaus kleiner, kennt. Für mich ist der Kamin ein Kleinod des zisterziensischen Baus der Backhalle und zukünftig sicher ein Eyecatcher und schönster Schmuck der zukünftigen Bibliothek.
Diese Kaminwand soll aber auch die Balken des Daches der Darre tragen, was derzeit aber nicht einfach zu realisieren ist, weil im Kamin eine neuzeitliche Esse eingemauert wurde, die noch nicht bekannt war. Ein Rätsel ist die Arbeitsweise ihres Einbaus auf engstem Raum, liegt sie doch mitten im Kaminzug. Die muss aber genauso raus, wie eine Esse in einem der gewölbten Räume. Also wieder Vorarbeiten, die Geld und Zeit kosten, bevor „planmäßig“ weitergebaut werden kann.
Lassen sie mich zum Schluss des heutigen Berichtes noch kurz ein Wort zur Darre sagen. Der große Raum am Südende des Wirtschaftsgebäudes, für den später die Nutzung als Scriptorium vorgesehen ist, ist bereits von einer Unmenge an Bauschutt (eingestürztes Dach), Abfall und einem fast baumähnlichen Bewuchs beräumt. Eine Sauberkeitsschicht ist bereits eigebracht, der Bau ist eingerüstet und die maroden Mauerteile am Sims sind entfernt. Jetzt kann mit der Stabilisierung der Südwand durch Zuganker und dem Aufbau der Mauerkrone und des Daches begonnen werden. Man kann nur hoffen, dass nicht noch Überraschungen an der besagten Esse in der Südwand auftreten, die die Fertigstellung des Raumes verzögern würden.
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